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Dienstag, 28. Juli 1998

Tag 6: Über die Ortlerberge ins Valfurva

Kilometer: 59 km - Höhenmeter: 2300 hm - Schnitt: 9,8 km/h - Fahrzeit: 6 h

Am nächsten Morgen stehen wir etwas spät auf. Natürlich sind meine Sachen mal wieder nicht trocken und ich muß den Fön nehmen. Wir frühstücken einsam und gut. Noch während wir unsere Sachen zusammenpacken, tauchen schon die beiden anderen vor unserer Pension auf. Da wir wahrscheinlich etwas schneller seien als sie, wollen sie schon losfahren. Wir würden uns sicher während der Auffahrt wieder treffen.

Auf dem Weg zum Stilfser Joch
Auf dem Weg zum Stilfser Joch
Blick zum Stilfser Joch
Blick zum Stilfser Joch

Ich öle meine Fahrradkette noch ein wenig und mit einer halben Stunde Verspätung machen auch wir uns auf den Weg. Ich zweifele daran, daß wir die beiden je wieder sehen. Es ist ziemlich bewölkt, regnet aber nicht und die Straße ist trocken. Nun liegen von Trafoi bis zum Stilfser Joch (2757 m) satte 1200 hm Paßstraße vor uns. Das ist der längste Anstieg, den wir auf unserer Route haben. Dazu kommt noch der Autoverkehr, der das Ganze nicht angenehmer macht. Zu allem Überfluß steht in jeder Kurve auf einem Schild, wie viele Serpentinen und Höhenmeter es bis oben noch sind. Wir kommen auf der Teerstraße aber gut voran und der Verkehr ist zum Glück nicht so störend. Nach etwa einer Stunde haben wir die Hälfte geschafft und die Baumgrenze hinter uns gelassen. Wir können nun genau sehen, was noch vor uns liegt. An einem einsamen Hotel halten wir an, füllen wir unsere Trinkflaschen aus einem Brunnen und fahren direkt weiter. Es wird nämlich sofort kalt, wenn wir anhalten. Alexander fährt nun etwas zügiger und ich komme nicht ganz hinterher. Da die Serpentinen aber gut zu überblicken sind, sehe ich ihn immer wieder mal über mir.

Touristenrummel am Stilfser Joch
Touristenrummel am Stilfser Joch
Endlich oben!
Endlich oben!

Nach zwei Stunden komme ich endlich oben an und bin ziemlich entsetzt über den Trubel, der hier herrscht. Das Stilfser Joch ist ein richtiges Touristenzentrum. Es gibt sogar Hotels und Souvenirläden und das in dieser Höhe. Grund sind die Gletscherbahnen, die es hier gibt. Die Skifahrer, die gar nicht auf ihren Schnee verzichten können, lassen sich mit Liften in eine Höhe von 3600 m bringen und können auf den Gletschern sogar mitten im Sommer Ski fahren. Furchtbar. Lange aufhalten wollen wir uns hier nicht, denn es ist ziemlich kalt und wir sind gut geschwitzt. In einem teurem Cafe wärmen wir uns ein bißchen auf und essen ein paar Sachen aus unserem Vorrat - Müsliriegel und Nektarinen - bevor wir weiter fahren. Die anderen zwei Biker haben wir natürlich nicht mehr getroffen, auch egal.

Jetzt müssen wir doch tatsächlich noch etwas weiter hoch. Ein steiler Fußweg, den wirklich keiner mehr fahren kann, führt zur 100 m höher gelegenen Drei Spachen Spitze, dem höchsten Punkt der gesamten Tour. Von hier haben wir einen tollen Überblick über das Stilfser Joch und sind froh, daß wir den Trubel schnell hinter uns gelassen haben.

Auf der Drei Spachen Spitze
Auf der Drei Spachen Spitze
Blick von der Drei Spachen Spitze auf die Gletscherbahnen
Blick von der Drei Spachen Spitze auf die Gletscherbahnen
Technische Abfahrt von der Drei Spachen Spitze
Technische Abfahrt von der Drei Spachen Spitze
Warm anziehen für die Abfahrt
Warm anziehen für die Abfahrt

Da es jetzt wieder etwas runter geht, ziehen wir uns etwas wärmer an. Wir müssen nun zum Paß Umbrail (2503 m), den wir in nicht allzu weiter Entfernung unter uns sehen können. Dort läuft die Grenze zwischen Italien und der Schweiz entlang. Der Weg dorthin ist aber nicht allzu toll: ein kleiner Fußsteig, der in so engen Serpentinen den Hang hinunterführt, daß ich fast in jeder Kurve einen Fuß absetzen muß. Man könnte zwar auch fahren, aber es geht nebendran doch etwas zu steil runter, um ausgerechnet hier die Fahrkünste zu testen. So richtig rentiert haben sich die paar Meter zur Drei Spachen Spitze mit dieser bescheidenenen Abfahrt also nicht. Wir hätten das kurze Stück vom Stilfser Joch zum Paß Umbrail auch durchaus auf der Autostraße fahren können.

Da es noch früh ist und die Sonne gerade so schön scheint, machen wir es uns am kleinen Grenzhäuschen erst einmal bequem. Ich esse wieder eine Kleinigkeit aus meinem Rucksack. Bevor wir weiterfahren, füllen wir die Trinkflaschen an einem Brunnen und schmeißen noch eine Vitamintablette dazu. Das machen wir meistens so und es ist sehr zu empfehlen. Bei Anstrengungen sind zusätzliche Vitamintabletten nur von Vorteil und außerdem schmeckt das Wasser damit deutlich besser.

Für die Weiterfahrt zur Bocchetta di Forcola (2768 m) steht in unserer Beschreibung, daß der Weg an einem unscheinbaren rostigen Eisenpfosten beginnt. Ich befürchte, daß wir den nicht so schnell finden werden. Den Pfosten gibt es aber tatsächlich und so unscheinbar ist er gar nicht. Der Weg ist es schon eher. Ein kleiner ausgewaschener Fußsteig mit kleineren Steigungen. Stellenweise können wir fahren, dann müssen wir wieder schieben. Obwohl wir einen guten Überblick über die Gegend haben, können wir nicht so recht erkennen, wo diese Bocchetta sein soll. Der Weg zieht sich und das ständige Auf- und Absteigen nervt. Irgendwann können wir endlich vor uns den Bergkamm lokalisieren, über den wir drüber müssen. Die letzen Meter sind nur noch mit Schieben und Tragen zu bewältigen. Meine arme Schulter! Nach einer Stunde haben wir es dann endlich gepackt.

Blick zur verfallenen Kaserne
Blick zur verfallenen Kaserne
Die alten Schützengräben der Bocchetta di Forcola
Die alten Schützengräben der Bocchetta di Forcola
Panorama an der Bocchetta
Panorama an der Bocchetta

Die Mühen haben sich gelohnt. Hier oben befinden sich alte Militärverbauungen aus dem ersten Weltkrieg, die ich sehr interessant finde. Die Biker, die vom Stilfser Joch die Autostraße direkt runter nach Bormio fahren, verpassen eine wirklich tolle Landschaft. Totale Einsamkeit und mittendrin diese verfallen Militärgebäude und Militärwege. Ein toller Anblick!. Ich kann kaum glauben, daß sich in dieser Höhe einmal jemand solch eine Mühe gemacht hat, aber was tun Menschen nicht alles für Kriege.

Besuch der Kaserne. Ein bißchen unheimlich ist sie schon.
Besuch der Kaserne. Ein bißchen unheimlich ist sie schon.

Nach einem kurzen Stop an der Bocchetta fahren wir ein Stück weiter zu einer verfallenen Kaserne. Hier liegt sogar ein bißchen Schnee herum. Da die Zeit etwas drängt, halten wir uns nur kurz auf. Meinem Gefühl nach geht es jetzt nur noch abwärts, aber vor lauter Militärwegen ist es schwer, sich zu orientieren. So fahren wir est einmal in Richtung des tiefsten Punktes, den wir sehen können. Mir fällt schnell ein, daß wir gerade da nicht hin müssen, und wir fahren wieder ein Stück zurück. In der Routenbeschreibung steht nämlich eine ganz bestimmt Höhe, in der wir abzweigen sollen. Zum Glück ist ohne Bäume alles sehr übersichtlich und es kommt nur ein Weg in Frage. Der geht aber leider wieder etwas bergauf.

Alexander bei der Abfahrt auf einem altem Militärweg
Alexander bei der Abfahrt auf einem altem Militärweg
Alexander bei der Abfahrt auf einem altem Militärweg
Alexander bei der Abfahrt auf einem altem Militärweg

Nach zwischenzeitlichen Zweifeln, ob wir denn jetzt richtig sind, erreichen wir einen besseren Weg. Der ist so breit, daß locker zwei Autos aneinander vorbei kommen würden. Er ist in einem sehr guten Zustand und es ist wirklich erstaunlich, wie sich diese Militärwege über 80 Jahre so gut halten konnten, obwohl sich überhaupt keiner darum kümmert. Jetzt geht es nur noch bergab, allerdings sehr langsam. Die Wege sind so flach angelegt, daß auch große schwere Fahrzeuge den Berg hinauf fahren konnten. In vielen langezogenen Serpentinen geht es ganz langsam hinunter. Weil es rund herum ziemlich flach ist, kann ich ohne großes Risiko schnell fahren. Der Weg ist jedoch sehr steinig und das Rad hat einiges zu Schlucken. Ab und zu halte ich an und mache Bilder, wenn Alexander ankommt.

Das Gelände wird nun zunehmend steiler und wir stoßen bald auf ein tiefes Tal. Hier geht der Weg in sehr engen Serpentinen weiter hinunter. Er hat immer noch kaum Gefälle, aber es geht nebendran nun steil in die Tiefe. Von der ursprünglichen Wegbreite ist nicht mehr viel geblieben. Teilweise sind die Stützmauern weggerutscht und an anderen Stellen ist der Weg total verschüttet. Hier könnte kein Fahrzeug mehr fahren. Ab und zu müssen wir sogar Schieben.

Highspeedabfahrt Richtung Bormio
Highspeedabfahrt Richtung Bormio

Im Tal gelangen wir schließlich auf einen normalen Forstweg und können entspannt weiter abfahren. Wir sind jetzt wieder unter der Baumgrenze. Kurz bevor wir auf die Autostraße nach Bormio stoßen, haben wir noch eine herrliche Abfahrt. In jeder Kurve dürfen meine Bremsen Höchstleistungen bieten, die Reifen allerdings auch. Unten warte ich wieder kurz auf Alexander und dann fahren wir auf der Straße nach Bormio (1225 m) hinein.

Es ist mittlerweile Nachmittag geworden und die Etappe hätte hier gerne zu Ende sein können. Doch ich will natürlich zur angegebenen Übernachtung in Santa Caterina Valfurva (1738 m) weiter. Da es bis dahin noch ein Stück ist und etwas später werden kann, melde ich uns telefonisch dort an. Wir essen noch einen kleinen Snack und ich trinke ein Bier. Dann fahren wir weiter. Es geht jetzt eine scheußliche Autostraße entlang. Über den Fahrstil der Italiener will ich nicht viel sagen, außer daß er für Radfahrer lebensgefährlich ist. Besonders, wenn man trotz Gegenverkehr überholt wird. Ich bin mittlerweile geschafft und muß mich durchbeißen. Zum Glück ist die Straße nicht besonders steil. Alexander ist trotzdem weit vor mir.

Unsere Albergo in Santa Caterina Valfurva
Unsere Albergo in Santa Caterina Valfurva

Wir erreichen unser Ziel schneller als ich dachte, denn auf der Karte sah das Stück nach Santa Caternia total weit aus. Als wir unsere Albergo nicht direkt finden, will Alexander irgendwo anders einkehren. Ich kann ihn aber davon abbringen, und er geht in einem Restaurant nachfragen, wo wir hinmüssen. Die Albergo ist ganz nett, gefällt mir aber bei weitem nicht so gut, wie die Bergromantik in den Hütten. So routiniert, wie wir behandelt werden, kommen hier aber anscheinend oft Biker her. Nachdem ich geduscht und wieder einiges gewaschen habe, bekommen wir ein richtiges Menü aufgetischt. Ich finde es nicht so toll, aber Alexander ist begeistert. Nach einer schönen flasche Wein, legen wir uns schlafen.

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