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Höhenprofil Tag 6
Höhenprofil Tag 6

Samstag, 30. Juli 2011

Tag 6: Endspurt auf Straße

Rif. Guglielmina - Alagnia Valsesia - Varallo - Lago d'Orta - Gozzano - Stresa Streckenbeschreibung

Start: 8:15 Uhr - Stop: 16:30 Uhr - Kilometer: 106 km - Höhenmeter: +1000 hm / -3575 hm - Maximale Höhe: 2878 m - Schnitt: 17,2 km/h - Max: 55 km/h - Fahrzeit: 6¼h - Temperatur: 7 - 44 C°

Wir haben am Abend gemeinsam über die weitere Route philosophiert. Die Skipiste hat uns beide etwas mürbe gemacht. Es war ja nicht die erste lange Schiebestrecke dieser Tour. Der Wirt sagte bereits, dass der Weg hinunter nach Alagna ebenfalls etwas ungemütlich wird. Bis zum eigentlichen Aufstieg zum Col Turlo liegen dann noch mal 400 hm. Wir könnten froh sein, wenn wir das alles vor dem Abend packen. Die Vorstellung, bereits heute am Lago Maggiore Seeluft zu atmen, hält er für unrealistisch, zu weit. Unser Wille, das Ziel zu erreichen ist aber ungebrochen. Viel stärker, als einen weiteren Tag hauptsächlich neben oder unter dem Bike zu verbringen, obwohl ich da durchaus leidensfähig bin. Die Planänderung sieht deshalb wie folgt aus: wir werden ab Alagna das Valle della Sesia auf der Straße hinunterrollen, in Varallo das Tal verlassen und über einen kleinen Straßenpass zum Lago d'Orta' queren. Diesen gilt es dann südlich zu umrunden und über einige kleine Ortschaften und Sträßchen genau von Westen in Susa anzukommen. Weit sieht das auch auf dieser Route aus, aber es gibt nur mäßig viele Höhenmeter und viel Straße.

Abfahrt über die Skipiste
Abfahrt über die Skipiste
Trail, fahrbar bis unfahrbar
Trail, fahrbar bis unfahrbar

Auf den Tipp des Wirtes, direkt hinüber zur Skipiste zu queren, verzichten wir. Von oben sieht der Trail hinab so katastrophal auch nicht aus. Wir können aber nicht weit gucken, denn Nebel hat sich breit gemacht. Wenigstens konnte ich beim Frühstück ein paar nette Blicke zu den Gletschern des Monte Rosa werfen. Die Spitze zeigte sich aber nicht. Nun tauchen wir wieder aus dem Nebel auf und ich muss meine Einschätzung zur Beschaffenheit des Weges schnell revidieren. Der Wirt hat Recht gehabt. Fahrspaß kommt nicht auf, viel zu verblockt die Sache. Die meiste Zeit wird geschoben. Als der Pfad etwas tiefer die Skipiste quert, weiche ich in dieses steile aber etwas glattere Terrain aus. Hier kann man sich spaßfrei wenigstens die meiste Zeit auf dem Rad halten. Die letzen Meter vor der Mittelstation pflügen wir dann beide die Skipiste hinunter.

Die Abfahrt, soweit man das so nennen möchten, dauerte bis hierher schon ein Weile. Und wir haben erst die Hälfte. Der tiefe Taleinschnitt des Valle della Sesia vor uns zeigt dies deutlich. Von der Hütte bis zum Talboden sind es etwa 1700 hm, das sind schon ein paar Klimazonen, die da vorbeirauschen. Die Guglielmina ist mit ihrer Lage eine eigene Welt. Sehr zu empfehlen, nur wozu? Bike hochschieben, mit Glück mit Seilbahn, um eine Scheißabfahrt zu machen? Leider, leider, liegt die Hütte nicht im geringsten Biketauglich. Aus der anderen Richtung sieht das anders aus, was vor allem die Monte Rosa-Umrunder freuen dürfte. Seilbahn ist vorhanden, und hinunter dürfte sich abseits der Skipiste in Richtung Westen nach Stafal bestimmt was interessantes finden lassen. Selbst wenn nicht, ist das keine Katastrophe.

Rifugio Citta di Mortara (1945m)
Rifugio Citta di Mortara (1945m)
Blick ins Valle della Sesia
Blick ins Valle della Sesia

Nach der Seilbahnstation passieren wir die Rifugio Citta di Mortara (1945 m). Im Wald haben wir nun eine geräumige Schotterpiste, die sich zwar besser fahren lässt, aber die Bremsen zum Glühen bringt. Vor allem meine kleinen Scheiben. Bis nach Alagna Valsesia (1190 m) bohrt sich die Piste förmlich in den Erdboden. Ebenfalls spaßfrei.

Nun beginnt das große Asphalt-Fressen. Meine Hoffnung ist, dass sich die Höhenmeter bis Varallo (459 m) möglichst gut verteilen und wir mit viel Schwung die Straße hinunter rollen können. Das funktioniert auch ganz gut, aber es bläst dabei ein sehr unfreundlicher Gegenwind. In Varallo ist dann endlich Zeit, für eine Mittagspause in einem Imbiss. Es ist gerade mal 12 Uhr. Wir liegen prächtig in der Zeit. Von der Strecke ist gut die Hälfte geschafft.

Varallo (459m)
Varallo (459m)

Damit der Tag nicht komplett ohne Höhenmeter endet und wir der immer stärker befahrenen Hauptstraße entkommen können, schwenken wir in Richtung Passo della Colma (942 m), ein kleiner Straßenpass hinüber nach Osten zum Lago d'Orta. Auch wenn es nur ein paar Höhenmeter auf Straße sind, müssen sie erst mal gefahren werden. Sonst gibt es nicht viel zu berichten von diesem Abschnitt. Es sind aber einige Kilometer, die da zusammen kommen.

Lago d'Orta (290m)
Lago d'Orta (290m)

Der Lago d'Orta liegt schön. Mitten im See findet sich eine dicht bebaute kleine Insel. Typisch für diese Gegend, auch am Maggiore findet sich dies wieder. Die Straße verläuft leider in gebührendem Abstand zum Ufer. Das milde Klima bemerken wir aber sehr deutlich. Die Fahrt wird immer sommerlicher und schweißtreibender. Große Berge gibt es in der Gegend nicht mehr. Alles grüne Waldige Hügel. In unserem Rücken in Richtung des Alpenkamms bauen sich wie in den letzen Tagen wieder große Wolkenmassen auf, die dort möglicherweise wieder Regen bringen werden. Uns kann das nun egal sein.

Das Ziel ist greifbar
Das Ziel ist greifbar
Zweiräder einer anderen Spezies
Zweiräder einer anderen Spezies

Nach einer Stärkung im Supermarkt von S.Maurizio halten wir uns weiter am See, passieren das Südende bei Gazzano und schwenken wieder nach Norden. Die östliche Uferstraße ist allerdings sehr ungemütlich. Beim ersten Wegweiser nach rechts verlassen wir diese Straße und rollen in leichtem Auf- und Ab durch viele kleine Dörfer. Vorbei an Miasino und Sovazza geht es nun wieder stetiger bergan durchs beschauliche Hügelland. Dieses Geplänkel summiert sich im Nachhinein auch noch mal auf gut 500 hm. Wir halten kurz an einem Motocross-Parcour, wo einige Fahrer beeindruckende Flugeinlagen hinlegen. Schon erstaunlich wie die diese schweren Maschinen so gut unter Kontrolle halten können. Aber das ist nicht unsere Welt.

Über den Dächern von Stresa
Über den Dächern von Stresa

In Gignese auf etwa 700 m ist der letzte Hügel endlich zu Ende. Nun geht es nur noch bergab und wir können endlich den Lago Maggiore sehen. Ein sehr schöner Abschluss. Es ist immer wieder ein tolles Gefühl von weit oben auf das Ziel zu zu rollen. Das ist am Gardasee so, in Ventimiglia am Mittelmeer und auch hier. Wenn ich mir vorstelle, dass wir nach Planung jetzt eigentlich irgenwo am Col Turlo herumhägen würden, bin ich wirklich froh über die heutige Streckenwahl. Die jetzige Ankunft dürfte sogar interessanter sein, als einfach von Norden aus Richtung Domodossola kommen durch das flache Tal an den See heran zu fahren. Trotz hohen Asphalt-Faktors eigentlich empfehlenswert, wenn nicht die sinnlose Etappe am Vortag wäre. Zeitlich überhaupt kein Problem, aber mit über 100 km nicht gerade ein Katzensprung.

Stilvolle Unterkunft
Stilvolle Unterkunft
Das war's ...
Das war's ...

In Stresa rollen wir als erstes ans Wasser und schauen uns den See an. Ich würde auch ins Wasser springen, wenn da eine Stelle wäre, an der man von der Uferpromenade ins Wasser kommt. Ein kleiner Strandabschnitt befindet sich etwas nördlicher, wie wir am Abend sehen werden. Ohne Badeeinlage gilt es nun die Übernachtungsproblematik zu lösen. Das könnte eng werden, wir sind wahrlich nicht die einzigen Touristen. Es ist ein quirliges Örtchen, ein schönes Ziel. Die von mir recherchierten Unterkünfte erweisen sich aber alle als Fehlschlag. Jetzt könnte es unangenehm werden, denn die meisten Hotels in den engen Gassen sehen nicht gerade preiswert aus. Ein abschreckend auffälliger Wegweiser zur Albergo Luina, noch dazu in deutsch, erweist sich als glücklicher Rettungsanker. Das Hotel sieht ziemlich übel aus. Aber das alte Betreiber-Ehepaar ist richtig goldig. Die Frau spricht vier Sprachen. Sie sind sehr herzlich und es tut mir fast leid, dass das Gebäude einen so heruntergekommenen Eindruck macht. Wir bekommen zum Glück ein Zimmer außerhalb des Hotels, einige Meter Fußmarsch entfernt. Dort können wir im Innenhof die Räder abstellen und unsere Sachen aufhängen. Wie geschaffen für Mountainbiker. Eine klare Empfehlung. Und wir waren keine Minute zu spät dort, denn eine Familie, die kurz nach uns ebenfalls auf Suche ist, bekommt nur noch eine Absage.

Der letzte Tag geht zu Ende
Der letzte Tag geht zu Ende
Abendstimmung in Stresa
Abendstimmung in Stresa

Wir stürzen uns ins abendliche Getümmel und schlagen auf dem belebtesten Platz in einem Restaurant unser Lager auf um die Zielankunft zu feiern. Das Resümee der Tour fällt dabei sehr durchwachsen aus. Ich habe Thomas mit den vielen Schiebe-/Tragestrecken ziemlich viel abverlangt. Es war zwar vorher schon klar, dass das Gelände nicht optimal ist, aber besonders am Col Olen war das Maß dann voll. Die langweiligen und belastenden Straßenpassagen zwischendurch haben auch nicht zu einem positiven Gesamteindruck beigetragen. Diese Tour würde ich in dieser Art nicht weiterempfehlen. Das sagt schon viel aus, denn bisher konnte ich alle meine Touren weiterempfehlen. Es war die richtige Entscheidung, um einen Tag zu kürzen. Wir sind beide kein bisschen traurig, morgen die Heimreise antreten zu müssen. Trotzdem war es schön, einige bedeutsame Pässe erlebt zu haben. Fenêtre Durand oder Col Lauson will man einfach mal gesehen haben, um sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Und es wird zu Hause nur wenige Tage dauern, bis ich am liebsten gleich wieder los möchte.

Bahnhof von Stresa
Bahnhof von Stresa

Die Heimfahrt wird im Schweizer Zug noch mal etwas unangenehm. Wir können zunächst nur Tickets lösen bis Domodossola. Dort wechseln wir in einen schweizer Schnellzug, der durch den Simplontunnel ins Rhonetal fährt, aus Zeitgründen ohne Ticket. Kontrolliert werden wir nicht. In Brigg ist abermals ein Wechsel notwendig, wieder ohne Ticket. Das wäre uns beinahe zum Verhängnis geworden. Das Schweizer Zugpersonal ließ sich allerdings erweichen, auf eine Strafzahlung zu verzichten und die „normale” Zeche zu bezahlen. Es kann einem schon die Sprache verschlagen, was die SBB als normal bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem ultrateuren Frankenkurs bleibt mir die Schweiz dieses Jahr in schlechter Erinnerung.

Am Parkplatz in Martigny wartet noch ein interessantes Erlebnis. Während wir die Räder verladen, trifft Alpencross-Guru Achim Zahn persönlich mit einem Kleinbus und einer Gruppe Biker ein. Sie kehren gerade von einer 14-tägigen Westalpenüberquerung zurück. Respekt, das wäre mir doch etwas zu lange. Und bei den hiesigen Wetterbedingungen dürften diese zwei Wochen noch eine Spur intensiver gewesen sein. Achim Zahn ist ein ganz besonderer Guide für mich. Es war seine Tourbeschreibung im Mountainbike-Magazin von 1996, die meinen damaligen Mitfahrer und Initiator Alexander zum ersten Alpencross animiert hatte. Und ich hatte nicht sofort zugesagt. Aber es war eine Tour, die Eindrücke wie keine andere nachfolgende hinterlassen hatte. Dies geht vermutlich jedem Alpenüberquerer so.

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